Zwangshaft gegen Regierungspolitiker wegen Dieselabgasen in München rechtlich möglich und für die ‚Saubere Luft’ notwendig

Deutsche Umwelthilfe reicht fristgerecht ihre Stellungnahme beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Verfahren für saubere Luft in München ein – Nationales Recht enthält schon jetzt Grundlagen für eine Erzwingungshaft und bedarf keiner Bestätigung durch den EuGH – Bayerischer Verwaltungsgerichtshof kündigte im August an, Zwangshaft gegen Ministerpräsident und andere Politiker durch Europäischen Gerichtshof klären zu lassen – Bayerische Regierung zeigt auch kurz vor der Landtagswahl ihr Herz für Dieselstinker und ihr Desinteresse am Gesundheitsschutz der Menschen

Berlin, 3.10.2018: Im Zwangsvollstreckungsverfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die Bayerische Staatsregierung (AZ: 22 C 18.1718) hat der 22. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) mit Schreiben vom 17. August 2018 angekündigt, die Frage der Zwangshaft gegenüber Amtsträgern eines deutschen Bundeslandes dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. Das höchste bayerische Verwaltungsgericht kommt zu dem Schluss, dass die Erzwingungshaft gegenüber Amtsträgern „allein erfolgversprechend erscheint“, nachdem alle vorangegangenen Versuche über die Androhung und Verhängung von Zwangsgeldern nicht zu einem rechtskonformen Verhalten der Staatsregierung geführt haben. Aus Sicht der DUH ist es skandalös und äußerst bedenklich, dass es in dem Verfahren überhaupt zu der Frage kommen musste, ob politische Mandatsträger in Deutschland mittels angedrohter Zwangshaft zur Einhaltung rechtskräftiger Urteil bewegt werden müssen.

In ihrer Stellungnahme vom 27. September 2018 weist die DUH darauf hin, dass es eigentlich keiner Prüfung durch den EuGH bedarf. Für den Fall, dass das Gericht dennoch eine Vorabentscheidung durch den EuGH einholt, regt die DUH an, dass ein beschleunigtes Verfahren beantragt wird. Dann sollte eine Entscheidung durch den EuGH nur drei bis vier Monate dauern.

Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Die Bayerische Staatsregierung weigert sich trotz angedrohter und vollstreckter Zwangsgelder weiterhin beharrlich, ein bereits seit 2014 rechtskräftiges Urteil umzusetzen und Diesel-Fahrverbote in der derzeit schmutzigsten Stadt Deutschlands zu verhängen. Nur diese führen zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid in München. Ministerpräsident Markus Söder und sein Vorgänger Horst Seehofer stellen sich über das Recht, wenn sie rechtskräftige Urteil ignorieren. Sie begehen damit einen Frontalangriff auf die Demokratie und gefährden wissentlich die Gesundheit der Münchner Bürger.“

Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt: „Eine Vorlage an den EuGH ist nicht erforderlich, da eine Erzwingungshaft bereits nach nationalem Recht zulässig ist. Wäre dies nicht so, liefe dies auf das Eingeständnis hinaus, dass das nationale Recht nur unzureichende Werkzeuge enthält, um eines der wichtigsten Versprechen des Grundgesetzes zu erfüllen: einen handlungsfähigen Rechtsstaat. In letzter Konsequenz hätte dies zur Folge, dass die Unabhängigkeit der Justiz bedroht ist. Denn eine Justiz, die zwar unabhängig entscheiden kann, der aber keine wirksamen Instrumente an die Hand gegeben sind, um ihre Urteile durchzusetzen, ist keine Justiz.“

Die DUH fordert die Bayerische Staatsregierung auf, sich endlich aus dem Würgegriff der Konzerne zu befreien, das rechtskräftige Urteil von 2014 umzusetzen und endlich im Sinne des Gesundheitsschutzes der Münchener Bürger zu handeln. Als schnellstmögliche Maßnahme für „Saubere Luft“ in München sind Diesel-Fahrverbote zulässig und notwendig und in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Dies hat zuletzt auch das Bundesverwaltungsgerichts mit seinen Urteilen vom 27. Februar 2018 bestätigt.

„Wenn sich der EuGH damit befassen muss, dass sich Politiker in Deutschland nicht an Recht und Gesetz halten, wäre dies eine Blamage auf ganzer Linie. Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer sind aufgefordert, dies abzuwenden. Ansonsten verliert Deutschland international an Glaubwürdigkeit. Recht und Gesetz können nicht erst durch Verhaftung hochrangiger Politiker durchzusetzen sein“, so Resch weiter.

Die DUH rechnet fest damit, dass der EuGH, sollte es zu einer Vorlage kommen, die Zulässigkeit der Zwangshaft als letztes Mittel zur Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen bei Verstößen gegen Europarecht bestätigen wird. Bereits im Jahr 2014 hat der EuGH in einem Verfahren zur Luftreinhaltung in Großbritannien entschieden, dass die Gerichte ‚jede erdenkliche Maßnahme‘ ergreifen müssen, um die Einhaltung der Grenzwerte für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid durchzusetzen.


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