Deutsche Umwelthilfe kritisiert Luftreinhalteplan für Berlin als unzureichend – Senat muss Saubere Luft im gesamten Stadtgebiet bis Ende 2019 sicherstellen

Bürger haben ein Recht auf „Saubere Luft“ im gesamten Stadtgebiet – Berliner Senat verstößt gegen Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts: Selbst unter optimistischen Annahmen wird der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) nicht einmal in 2020 eingehalten – Deutsche Umwelthilfe kündigt Vollstreckungsantrag zur Umsetzung des Urteils von Oktober 2018 an – Nur zonale Dieselfahrverbote einschließlich der Abgasstufe Euro 5 stellen die schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwerts von NO2 sicher – Deutsche Umwelthilfe fordert eine kurzfristige Nachbesserung des Luftreinhalteplans.

Berlin, 3.6.2019: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die aktuelle Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Berlin als ungeeignet, um den Bürgern schnellstmöglich das Recht auf „Saubere Luft“ zu gewähren. Hierzu war der Senat vom Verwaltungsgericht Berlin im Oktober letzten Jahres im Rahmen einer Klage der DUH verpflichtet worden. Damit sich die Umsetzung des rechtskräftigen Urteils nicht länger verzögert und die Berlinerinnen und Berliner so schnell wie möglich zu ihrem Recht auf „Saubere Luft“ kommen, wird die DUH einen Vollstreckungsantrag einreichen. In einem solchen Vollstreckungsverfahren kann das Gericht gegen den Senat bei Nichtbeachtung eines Urteils Bußgelder verhängen und notfalls auch zu schärferen Maßnahmen greifen.
 
Die DUH kritisiert, dass die NO2-Grenzwerteinhaltung mit den vorgesehenen Maßnahmen nicht sichergestellt ist. Eine Unterschreitung des Grenzwertes für NO2 im vom Bundesverwaltungsgericht gesetzten Zeitrahmen ist ausgeschlossen. Außerdem unterschlägt der Senat mehrere Straßen, an denen der NO2-Grenzwert selbst nach einer Umsetzung der im Luftreinhalteplan vorgesehenen Maßnahmen nach wie vor massiv überschritten bleibt, darunter auch entlang der Wohnbebauung an der Stadtautobahn im Bereich des Dreiecks Funkturm.
 
Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Dieser Luftreinhalteplan ist nicht seriös und ignoriert das Recht auf „Saubere Luft“ vor allem für besonders unter dem Dieselabgasgift leidende Personengruppen wie Asthmatiker, Kinder, alte und kranke Menschen. Nicht akzeptabel ist zudem, dass der Senat mehrere hohe gemessene NO2-Grenzwertüberschreitungen an bisher nicht als belastet bekannten Straßenabschnitten Berlins nicht berücksichtigt. Berlin sollte sich an Madrid orientieren, wo es durch mutige, zonale Dieselfahrverbote gelungen ist, im März dieses Jahres die beste Luftqualität seit zwanzig Jahren zu erreichen. Stattdessen wird in der deutschen Bundeshauptstadt das jahrelange Versagen in der Luftreinhaltepolitik fortgesetzt. Nur durch ein zonales Dieselfahrverbot in der Innenstadt wird es gelingen, in Berlin als eine der am stärksten mit Dieselabgasen belasteten Städte die Luftqualität wieder ausreichend zu verbessern. Die DUH wird nun vor dem Verwaltungsgericht Berlin einen Vollstreckungsantrag zur Durchsetzung des rechtskräftigen Urteils für die „Saubere Luft“ noch in diesem Jahr stellen und die dafür notwendigen Maßnahmen damit durchsetzen.“

Die DUH fordert den Senat auf, den Luftreinhalteplan so fortzuschreiben, dass die NO2Grenzwerteinhaltung sicher im gesamten Stadtgebiet gewährleistet wird. Die Menschen in Berlin haben auf jedem Fußweg, vor jeder Schule und Wohnung sowie jedem Kindergarten ein Recht auf 
 „Saubere Luft“. Zusätzlich zu den Dieselfahrverboten hält die DUH ein größeres Tempo bei der Verkehrswende für notwendig. Neben einer verbindlichen Parkraumbewirtschaftung mit drastisch erhöhten Parkgebühren und einer Verringerung der Zahl der Parkplätze sollte der motorisierte Individualverkehr auf Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit im gesamten Stadtgebiet verringert werden. Dies verringert auch die Lärmbelastung und erhöht die Verkehrssicherheit. 
 
Zentrale Maßnahme für die DUH ist ein zonales Fahrverbot für Diesel-Pkw, Nutzfahrzeuge und Busse bis einschließlich der Abgasnorm Euro 5. Dieses muss zum 1. September 2019 in Kraft treten. Das BVerwG hat in seinen Urteilen vom 27. Februar 2018 eindeutig klargestellt, dass der Erlass von Dieselfahrverboten zulässig und auch zwingend geboten ist, sofern der gesetzlich vorgeschriebene Jahresmittelwert von 40 μg NO2/m3 anderweitig nicht bis Ende 2019 eingehalten werden kann. Dass dies in Berlin der Fall ist, hat das Verwaltungsgericht Berlin im Urteil vom 9. Oktober 2018 zu Recht festgestellt. Erhalten die von Fahrverboten betroffenen Fahrzeuge ein Hardware-Update und halten diese auf der Straße die Abgasnormen ein, wären sie von Fahrverboten befreit. Die DUH fordert daher, dass die Autohersteller diese Maßnahmen auf ihre Kosten bei allen Betrugs-Diesel-Pkw durchführen. 
 
Rechtsanwalt Peter Kremer, der die DUH in dem Verfahren vertritt, ergänzt: „Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Senat verurteilt, den Luftreinhalteplan bis Ende März so fortzuschreiben, dass der Grenzwert stadtweit eingehalten wird. Im Juni denkt der Senat immer noch über einen Entwurf nach. Mit diesem Entwurf lässt sich der Grenzwert weder rechtzeitig noch überhaupt einhalten. Offensichtlich meint der Senat, dass ein Urteil nur eine unverbindliche Aufforderung ist – das ist ein merkwürdiges Rechtsstaatverständnis.“
 
Nach der verzögert gestarteten Öffentlichkeitsbeteiligung ist der Senat abermals in Verzug. Die Einrichtung der streckenbezogenen Dieselfahrverbote und Tempo-30-Bereiche soll rechtswidrig frühestens im August beginnen.

 

 


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