Auch andere EU-Staaten bekämpfen Feinstaub und Stickstoffdioxid: Deutsche Umwelthilfe begrüßt Einfahrbeschränkungen in nunmehr 15 EU-Staaten und Klagen für die Saubere Luft in Ungarn und Tschechien

Nach mehreren Grundsatzentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs sowie nationaler Gerichte aufgrund von Verbändeklagen ergreifen immer mehr EU-Staaten konkrete Maßnahmen gegen die Belastung der Atemluft mit Luftschadstoffen wie Feinstaub und Stickstoffdioxid – Kooperationspartner der Deutschen Umwelthilfe reichten Klagen für die „Saubere Luft“ in Budapest (Ungarn) und der Ostrava-Region (Tschechien) ein – Deutsche Umwelthilfe unterstützt die Forderung osteuropäischer Regierungen und Umweltverbände nach einem Export-Stopp von schmutzigen Diesel-Fahrzeugen ohne Hardware-Nachrüstung

Berlin, 5.2.2019: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßt die aktuellen Bemühungen für saubere Luft in anderen europäischen Ländern. Dort setzen mit der DUH seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Luftreinhaltung kooperierende Verbände die Einhaltung geltender Luftqualitätsstandards auch auf dem Klageweg durch. Entgegen der aktuellen Darstellungen aus automobilnahen Kreisen in Deutschland, dass nur die Bundesrepublik die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Grenzwerte für die Luftschadstoffe Feinstaub und Stickstoffdioxid (NO2) ernst nehme, haben tatsächlich zwischenzeitlich neben Deutschland 14 weitere EU-Staaten wirksame Maßnahmen gegen schmutzige Diesel-Fahrzeuge und andere Schadstoffquellen ergriffen. Die DUH hat hierzu eine aktuelle Liste der EU-Staaten sowie betroffener Städte und Regionen veröffentlicht.

Insbesondere in Osteuropa wächst das Unverständnis über die Einfuhr von Dieselfahrzeugen, die aufgrund illegaler Abschalteinrichtungen und hoher Stickoxidemissionen aus deutschen Städten verbannt werden. Die DUH fordert die Bundesregierung auf, sich endlich aktiv für eine Hardware-Nachrüstung betroffener Dieselfahrzeuge einzusetzen, um so auch den Export schmutziger Diesel-Pkw zu beenden. Dieselfahrzeuge ohne auf der Straße wirksamen Katalysatoren müssen auf Kosten der Hersteller nachgerüstet werden und dürfen nicht länger ohne Reparatur der Abgasanlage ins Ausland verschoben werden.

„In Deutschland versucht derzeit die Automobilindustrie mit ihrer „Luftschadstoffe sind ungefährlich“-Kampagne gegen geltende und akzeptierte Grenzwerte anzukämpfen. Dies erinnert an die Endphase des Kampfs der Tabakindustrie gegen das Rauchverbot in Gaststätten und öffentlichen Einrichtungen und wird ebenso scheitern. Berufsverbände von Lungenärzten und Kinderpneumologen sowie wissenschaftliche Fachverbände verteidigen die europaweit geltenden Grenzwerte oder fordern gar eine Verschärfung. 14 weitere EU-Staaten haben bereits zum Teil weitergehende Maßnahmenpakete für eine Verkehrswende und Einfahrbeschränkungen für schmutzige Diesel in ihren Städten beschlossen. Nur in Deutschland blockiert Verkehrsminister Scheuer eine wirksame Verkehrswende hin zu mehr Bus, Bahn und Tram und weniger schmutzigen Diesel-Pkw in unseren Innenstädten“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

In Ungarn wurde Ende November 2018 die Klage der Clean Air Action Group (CAAG) eingereicht und richtet sich gegen die anhaltende Überschreitung des NO2-Jahresmittelgrenzwertes von 40 µg/m³ sowie die Überschreitung des Feinstaubgrenzwertes in Budapest. 2017 lag der NO2-Jahres-mittelwert dort bei 46 µg/m³. Der Tagesmittelgrenzwert für Feinstaub (PM10) wurde an 46 Tagen im Jahr überschritten, obwohl nach EU-Vorgaben lediglich 35 Überschreitungstage erlaubt sind.

Die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt Verbände in Europa in ihren Bemühungen für saubere Luft, so auch die CAAG und die DUH. Ugo Taddei, Rechtsanwalt bei ClientEarth sagt: „Budapest ist eine von über zehn Städten in Europa, in denen wir auch juristische Mittel einsetzen, um die Luftqualität zu verbessern. Wir und andere Organisationen reichen Klage ein, weil wir davon überzeugt sind, dass jeder das Recht auf 'Saubere Luft' hat. Unsere Verfahren zeigen Wirkung: Die Verantwortlichen in großen Städten ergreifen Maßnahmen gegen Luftverschmutzung – von der Nachrüstung öffentlicher Verkehrsmittel bis zum Verbot älterer, schmutziger Fahrzeuge an bestimmten Hotspots. Solche Maßnahmen sind notwendig, um die Gesundheit der Menschen vor dreckiger Luft zu schützen. Sie hätten bereits vor neun Jahren in Angriff genommen werden müssen, als der NO2-Grenzwert in Kraft trat.“

Die Frank Bold Society, langjähriger Kooperationspartner der DUH, hat im Dezember 2018 gemeinsam mit gesundheitlich geschädigten Einwohnern der Ostrava-Region Klage gegen das Tschechische Umweltministerium eingereicht, um saubere Luft in den Städten Radvanice und Bartovice zu erstreiten. Dort werden die höchsten Konzentrationen von Feinstaub und krebserregendem Benzo(a)pyren in ganz Tschechien gemessen. Trotzdem haben Regionalregierung und Umweltministerium bislang keine wirksamen Schritte zur Verbesserung der Luftqualität veranlasst.

Kristína Šabová, Rechtsanwältin bei Frank Bold, sagt: „Die meisten tschechischen Luftreinhaltepläne enthalten nur unspezifische Maßnahmen, deren Wirkung weder evaluiert noch quantifizierbar ist. Dies gilt auch für den Luftreinhalteplan von Ostrava, der deswegen im vergangenen Jahr vom Obersten Verwaltungsgericht abgelehnt wurde. Wir brauchen wirksame Maßnahmen, um die Luftverschmutzung so schnell wie möglich zu reduzieren und die Gesundheit der Menschen zu schützen."

Ursache für hohe NO2-Belastungen sind vor allem Dieselfahrzeuge ohne wirksame Abgasreinigung. Alleine 2017 wurden laut des europäischen Dachverbandes Transport&Environment (T&E) viele Hunderttausend Diesel-Gebrauchtwagen mit extremen Überschreitungen bei den zulässigen NOx-Emissionen nach Osteuropa exportiert. Damit der Export von besonders schmutzigen Euro-4- und Euro-5-Diesel-Pkw durch die Umsetzung von Diesel-Fahrverboten nicht weiter zunimmt, fordert die DUH Hardware-Nachrüstungen auf Kosten der Hersteller. Die von den Herstellern angebotenen Umtauschprämien fördern stattdessen den Export dieser zwar erst wenige Jahre alten, aber hoch emittierenden Fahrzeuge ins EU-Ausland, wodurch die Belastung mit dem Abgasgift Stickstoffdioxid verstärkt wird.

Die Dieselkonzerne sollten ihre zurückgekauften schmutzigen Diesel-Pkw ohne Reparatur der nicht funktionstüchtigen Katalysatoren nicht nach Osteuropa exportieren dürfen. Die Regierungen von Polen, Tschechien, Slowenien und die EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska protestieren zu Recht dagegen, dass diese Fahrzeuge nun ihre Städte und Bürger mit extrem hohen NO2-Werten belasten. Alle Menschen haben ein Recht auf 'Saubere Luft'“, so Dorothee Saar, DUH-Bereichsleiterin Verkehr und Lufteinhaltung. Auch die Europäische Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska betont die Notwendigkeit einer Regelung, die den Export von alten oder nicht-konformen Autos nur dann gestattet, wenn diese nachgerüstet wurden.

Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge mit hohen Schadstoffemissionen und andere Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität sind nicht nur in Deutschland ein Thema. Die norwegische Hauptstadt Oslo gestaltet ihre Innenstadt drastisch um und entfernt sämtliche städtische Parkplätze im Radius von 800 Metern um das Stadtzentrum, um die Zahl der Autos in der Stadt deutlich zu reduzieren. Eine City-Maut soll darüber hinaus zur Finanzierung einer verbesserten Fahrradinfrastruktur und des Ausbaus des ÖPNV beitragen.

In London tritt am 8. April 2019 die neue „Ultra Low Emission Zone“ in Kraft. Diese unterbindet die Einfahrt für alle Diesel-Pkw älter als Euro 6 und alle Benzin-Pkw älter als Euro 4 in die Innenstadt. Bereits seit vielen Jahres gibt es hier eine emissionsabhängige City-Maut. Im Jahr 2016 legte die DUH ein Rechtsgutachten vor, das eine solche emissionsabhängige City-Maut auch in Deutschland zur Luftreinhaltung eingeführt werden kann.


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