Darmstadt/Berlin, 14.12.2018: Im Verwaltungsstreitverfahren (4 K 1755/15.WI) für saubere Luft in Darmstadt haben sich die klagenden Parteien Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der ökologische Verkehrsclub VCD mit dem beklagten Land Hessen auf eine Vergleichsvereinbarung verständigt. Danach werden zum 1. Juni 2019 Diesel-Fahrverbote und Fahrspurreduzierungen an der Hügelstraße und der Heinrichstraße in Kraft treten. Auch die Maßnahmen der Stadt Darmstadt zur Förderung des ÖPNV und des Radverkehrs sind verbindlicher Teil der Einigung. Die DUH und der VCD begrüßen den konstruktiven Dialog mit dem Land Hessen, der zu einem wichtigen Maßnahmenpaket für saubere Luft in Darmstadt geführt hat. Die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt Klagen für „Saubere Luft“ der DUH.
„Wir freuen uns für die Bürger und Besucher von Darmstadt, dass sie ab Sommer nächsten Jahres endlich die ihnen zustehende „Saubere Luft“ einatmen können. Erstmals ist es uns gelungen, mit einem beklagten Land eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, die zudem für den Fall weiterer Grenzwertüberschreitungen eine weitere Nachjustierung beinhaltet. Nach unserer Auffassung werden dann Diesel-Fahrverbote über Euro 5 hinaus umzusetzen sein. Wir wünschen uns, dass dieses Beispiel in anderen Luftreinhalteklagen Schule macht. Auf diesem Weg kann schnell und unkompliziert Rechtssicherheit über Art und Umfang der Diesel-Fahrverbote, aber auch anderer verkehrslenkenden Maßnahmen, erreicht werden“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. „Wir brauchen nun eine schnelle Hilfe für die betroffenen Besitzer von Euro 5, aber auch Euro 6 Betrugs-Dieseln. Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass alle von Fahrverboten bedrohten Diesel-Halter rechtzeitig ein Hardware-Update im Rahmen eines verbindlichen Rückrufs auf Kosten der Hersteller oder Importeure erhalten.“
Heiko Nickel, Geschäftsführer des VCD Hessen ergänzt: „Mit dieser Einigung muss die Stadt Darmstadt nun umgehend die von ihr bereits beschlossene Förderung von Bus-, Bahn- und Radverkehr umsetzen. Der Vergleich führt zu sauberer Luft und zu mehr ökologischer Mobilität in Darmstadt. Dies stärkt die Stadt und macht sie gesünder und lebenswerter.“
Der Luftgrenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2), der seit dem Jahr 2010 verbindlich gilt, wird in Darmstadt seit Jahren an der Hügelstraße (72 μg NO2/m³ im Jahresmittel 2017) und der Heinrichstraße (57 μg NO2/m³) überschritten. Der seit dem Jahr 2010 geltende Grenzwert ist nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2018
schnellstmöglich, spätestens jedoch 2019, einzuhalten.
In Darmstadt wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass durch Diesel-Fahrverbote keine
Grenzwertüberschreitungen an anderen Stellen im Stadtgebiet auftreten werden. Anders als in
anderen Städten gibt es nach allen vorliegenden Messungen und Modellierungen in Darmstadt
nur an zwei Straßen Überschreitungen der Grenzwerte. Daher konnte sich das Konzept auch auf
die Hügelstraße und die Heinrichstraße konzentrieren. Zugleich wurde vereinbart, dass das Diesel-
Einfahrtverbot verschärft wird, sollte die NO2-Belastung im zweiten Halbjahr 2019 nicht wie
prognostiziert unter dem EU-Grenzwert von 40 μg/m3 liegen. Die DUH und der VCD sehen in
diesem Fall keine andere Wahl, als das Fahrverbot auf bestimmte Dieselfahrzeuge der
Emissionsklasse Euro 6 auszudehnen.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH und den VCD in dem Verfahren vertrat, sagt: „Mit dem
jetzt vereinbarten Maßnahmenpaket wird es uns gelingen, den Grenzwert auch in Darmstadt
einzuhalten. Ein solcher Vergleich ist ein Novum in unseren Verfahren für saubere Luft. Erstmals
haben sich die klagenden Verbände gemeinsam mit der zuständigen Behörde an einen Tisch
gesetzt und ausgelotet, was an Maßnahmen möglich und nötig ist. Für den Fall, dass die
Luftqualität doch nicht so gut werden sollte, wie durch uns erwartet, haben wir eine weitere
Verständigung vereinbart. Dies erspart allen Beteiligten endlose gerichtliche Auseinandersetzungen
und fördert auch auf Seiten der Kläger ein Verständnis dafür, dass man es nicht mit renitenten und
der Einhaltung des Rechts ablehnenden Behörden zu tun hat, sondern mit Fachbehörden, die im
Dialog die Vor- aber auch die Nachteile bestimmter Konzepte erörtern können. Denn eins ist klar:
Die Grenzwerte sind seit langem einzuhalten. Alle damit in Zusammenhang stehenden
Rechtsfragen sind spätestens durch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.
Februar 2018 entschieden. Die Vehemenz, mit der sich andere Bundesländer – und leider auch das
Land Hessen in dem Verfahren zu Frankfurt – gegen die nötigen Maßnahmen sperren, dient nur der
Verfahrensverschleppung. Dies ist unnötig.“
Der Leiter des deutschen Büros von ClientEarth, Hermann Ott, sagt: "Es ist gut, dass das Land
Hessen sich für Darmstadt dazu entschieden hat die andauernd schlechte Luftbelastung nicht
länger zu ignorieren. Wir hoffen, dass weitere Betroffene einsehen, dass schnell gehandelt werden
muss. Unsere Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe dient dem Zweck, den Gesundheitsschutz
der Menschen durchzusetzen. Die Schadstoffgrenzwerte für NO2 sind seit 2010 einzuhalten, doch
seither ist nicht viel geschehen, um die Menschen zu schützen. Alle Verantwortlichen sollten
mittlerweile eingesehen haben, dass ihre bisherigen Maßnahmen zur Verringerung der
Luftverschmutzung nicht ausreichend sind und dies vor Gericht keinen Bestand haben wird.“
Die Kläger und der Beklagte haben am gestrigen Tag das Verwaltungsgericht gebeten, den
Vergleich zu protokollieren, sodass er rechtskräftig wird.