Deutsche Umwelthilfe hält Diesel-Fahrverbote in Kiel noch in 2019 für alternativlos, um die „Saubere Luft“ noch dieses Jahr für alle Bürger sicherzustellen

Landesregierung und Oberbürgermeister machen sich lächerlich mit vorgeschlagenen NO2Staubsaugern und einem Spurwechsel für Diesel-Pkw direkt an der amtlichen Messstation – Trotz Rekordbelastung von 60 µg NO2/m3 Luft ist der Kieler Luftreinhalteplan einer der schlechtesten im Bundesgebiet – DUH vermisst Hardware-Nachrüstungen für Busse und Kommunalfahrzeuge, Nachrüstung von Handwerker- und Lieferfahrzeugen – Selbst Ausbau des ÖPNV und Verbesserung der Fahrradinfrastruktur nur marginal berücksichtigt – Verringerung der NO2-Grenzwerteinhaltung soll ausgerechnet durch Großbaustelle und Umleitungen gewährleistet werden, ohne die Auswirkung zehntausender Fahrzeuge auf den Ausweichstrecken zu betrachten – Bürger haben im gesamten Stadtgebiet von Kiel ein Recht auf „Saubere Luft“ – DUH ist zuversichtlich, dass dieser Schildbürgerstreich für Kiel keinen Bestand vor Gericht haben wird und sieht zonales Diesel-Fahrverbot einschließlich der Abgasstufe Euro 5 zur schnellstmöglichen Einhaltung des NO2-Grenzwerts als unverzichtbar an

Kiel/Berlin, 15.7.2019: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die aktuelle Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Kiel als ungeeignet, um den Bürgerinnen und Bürgern schnellstmöglich das Recht auf „Saubere Luft“ zu gewähren. Der Entwurf des Luftreinhalteplans enthält keine einzige Maßnahme, die so spezifisch, verbindlich und umfassend ist, dass deren Wirkung auf die Luftqualität seriös abschätzbar wäre. Besonders zwei Vorschläge von Stadt und Land sind absurd: Dieselfahrzeuge sollen an der amtlichen Messstelle auf die linke Spur wechseln und in die Nähe des NO2-Messsensors soll ein NO2-Straßenstaubsauger installiert werden.


Im November 2017 hatte die DUH Klage vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht eingereicht. Ziel der Klage ist die schnellstmögliche Einhaltung des EU-Grenzwerts für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m3 im Jahresmittel in Kiel.  


Die DUH hält den aktuellen Entwurf des Luftreinhalteplans für Kiel für rechtswidrig. So bezieht er sich in seinen Maßnahmen im Wesentlichen auf den Straßenabschnitt Theodor-Heuss-Ring, an dem die amtliche verkehrsnahe Messstation steht. Tatsächlich sind Stadt und Land verpflichtet, an allen von Grenzwertüberschreitungen bedrohten Stellen im Stadtgebiet tätig zu werden und sicherzustellen, dass nirgendwo die giftigen Dieselabgase über dem EU-Grenzwert von 40 µg/m3 im Jahresmittel liegen.


Einen Beitrag zur Grenzwerteinhaltung soll eine Großbaustelle auf dem Theodor-Heuss-Ring mit Umleitung von täglich zehntausenden Fahrzeugen liefern. Weitere Verbesserung der Luftqualität direkt an der Messstation soll ein neues Routenkonzept für Lkw bringen, die zukünftig alternativ über den Ziegelteich geführt werden sollen. Messungen mit Passivsammlern, die weitere Grenzwertüberschreitungen unter anderem an der dann verstärkt belasteten Straße Ziegelteich anzeigen, werden im vorgelegten Luftreinhalteplan einfach ignoriert. Auch eine Modellierung der Belastung entlang des gesamten Hauptstraßennetzes liegt nicht vor. Dadurch ist es unmöglich auszuschließen, dass mit der geänderten Verkehrsführung weitere Grenzwertüberschreitungen hinzukommen.

Die zwingend notwendige, sichere Grenzwerteinhaltung für das Dieselabgasgift NO2 von 40 µg/m3 bis Ende 2019, wie vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Grundsatzurteil von Februar 2018 gefordert, ist mit den vorgesehenen Maßnahmen nicht zu erreichen. Selbst für eine sichere Grenzwerteinhaltung im Jahr 2021 wäre die Festsetzung weiterer Maßnahmen notwendig. 


„Land und Stadt machen sich über die Gesundheitsgefahren und tausendfachen Erkrankungen der Menschen in Kiel durch das Dieselabgasgift NO2 lustig, wenn ihre Hauptmaßnahmen darin bestehen, Diesel-Fahrzeugen einen Spurwechsel an der Messstation vorzuschreiben und neben dem Messsensor einen NO2-Straßensaubsauger vorsehen. Solche Vorschläge passen nach Schilda, nicht aber in eine der am höchsten belasteten Städte Deutschlands. Offensichtlich absorbieren diese Micky-Maus-Maßnahmen derart viel Energie, dass seriöse Maßnahmen wie eine Nachrüstung der in Kiel besonders schmutzigen ÖPNV-Busse, Kommunal-, Handwerker- und Lieferfahrzeuge vergessen wurden. Auch zum dringend notwendigen massiven Ausbau umweltfreundlicherer Verkehrsmittel wie Fahrrad und ÖPNV fehlt offensichtlich der Mut. Neben einem möglichst zonalen Diesel-Fahrverbot bis einschließlich Euro 5 Fahrzeuge muss Kiel den motorisierten Individualverkehr drastisch verringern“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. 


Die DUH fordert die Landesregierung Schleswig-Holstein auf, den Luftreinhalteplan so fortzuschreiben, dass die NO2-Grenzwerteinhaltung noch in 2019 sicher im gesamten Stadtgebiet gewährleistet wird.


Zentrale Maßnahme für die DUH ist ein möglichst zonales Fahrverbot für Diesel-Pkw, Nutzfahrzeuge und Busse bis einschließlich der Abgasnorm Euro 5/V im gesamten Kieler Stadtgebiet. Dieses müsse nach Auffassung der DUH idealerweise zum 1. September 2019, spätestens aber Ende 2019 in Kraft treten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Grundsatzurteil vom 27. Februar 2018 eindeutig klargestellt, dass der Erlass von DieselFahrverboten zulässig und auch zwingend geboten ist, sofern der gesetzlich vorgeschriebene Jahresmittelwert von 40 μg NO2/m3 anderweitig nicht bis Ende 2019 eingehalten werden kann. Dies ist in Kiel der Fall. Erhalten die von Fahrverboten betroffenen Diesel-Fahrzeuge eine Reparatur der defekten Abgasanlage im Rahmen eines Hardware-Updates und halten danach die Abgasnormen ein, sind diese Diesel-Fahrzeuge von Fahrverboten befreit.

 
Zusätzlich zu diesen unmittelbar wirksamen Maßnahmen hält die DUH einen Einstieg in die Verkehrswende in Kiel für dringend notwendig. Anstatt den motorisierten Individualverkehr durch Verkehrsverflüssigung noch attraktiver zu gestalten, müssen nun schnell wirksame Maßnahmen für umweltfreundlichere Verkehrsmittel wie das Fahrrad und den ÖPNV in Angriff genommen werden. Neben dem Einstieg in ein konsequentes Parkraummanagement mit einer deutlichen Verringerung der Zahl von Parkplätzen sowie deren Verteuerung hält die DUH eine innerstädtische Reduzierung der Regel-Geschwindigkeit auf Tempo 30 innerorts für sinnvoll. Dies reduziert auch die Lärmbelästigung und erhöht die Verkehrssicherheit. 


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